In Zusammenhang mit HWI beschreibt der Begriff Compliance, inwieweit ein:e Anwender:in der intermittierenden Katheterisierung den Rat der behandelnden medizinischen Fachperson zur Vermeidung von Harnwegsinfektionen befolgt.

Folgende Risikofaktoren für diesen Zusammenhang werden nachfolgend erläutert:

  • Entleerungshäufigkeit
  • Flüssigkeitszufuhr
  • Nicht hygienisches Vorgehen
  • Ungenügende Schulung
  • Restharn nach der Entleerung aufgrund falscher Handhabung

Entleerungshäufigkeit

Den Zusammenhang zwischen Entleerung und HWI verstehen

Seltene Entleerung kann zu einer Überdehnung der Blase führen und das Risiko für HWI (Harnwegsinfektionen) erhöhen.1

Eine Erhebung mit kanadischen Patient:innen mit Rückenmarksverletzungen hat gezeigt, dass die Entleerungshäufigkeit umgekehrt proportional zur Anzahl der Harnwegsinfektionen ist. Das heisst: Je geringer die Katheterisierungsrate, umso höher die Wahrscheinlichkeit für Harnwegsinfektionen, wobei eine Katheterisierung pro Tag das höchste Risiko darstellt.2

Allerdings wurde in einer Studie mit Teilnehmenden an den Paralympischen Spielen, die sich 1- bis 10-mal pro Tag katheterisierten, festgestellt, dass die Häufigkeit der täglichen Katheterisierung nicht mit der Häufigkeit der Harnwegsinfektionen in Zusammenhang stand.3

Gut zu Wissen: Entleerungs-Tipps für Anwender:innen

Flüssigkeitszufuhr

Unzureichende Flüssigkeitsaufnahme ist ein Risikofaktor für Harnwegsinfektionen bei neurogenen Blasenerkrankungen.4

Eine geringe Flüssigkeitsaufnahme wird in Zusammenhang gesehen mit einer Zunahme der Osmolalität und Azidität des Urins, wodurch Betroffene dem Risiko für Harnwegsinfektionen (HWI) ausgesetzt sind.6

Tägliche ADH-Schwankungen und Flüssigkeitsaufnahme

Wussten Sie, dass die Ausschüttung des antidiuretischen Hormons (ADH), das die Flüssigkeitsabsorption des Körpers steuert, bei der Population von Patient:innen mit neurourologischen Erkrankungen beeinträchtigt ist?7

Das Nichtvorhandensein der normalen täglichen Schwankung des ADH kann ein Risiko für unzureichende Flüssigkeitsretention darstellen.7

Klinische Studien zur Flüssigkeitsaufnahme

Wenngleich eine unzureichende Flüssigkeitsaufnahme als Risikofaktor für Harnwegsinfektionen gilt, ist die Rolle der Flüssigkeitsaufnahme mit Blick auf die HWI-Prävention bei Patient:innen mit neurourologischen Erkrankungen nicht zweifelsfrei anhand klinischer Studien belegt.6 Dennoch spricht die allgemeine medizinische Erfahrung für die tägliche Aufnahme ausreichender Flüssigkeitsmengen.8

In einer klinischen Studie mit Frauen vor der Menopause, ohne neurogene Erkrankungen und mit rezidivierenden Harnwegsinfektionen wurde festgestellt, dass eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme rezidivierender Zystitis vorbeugt.4

Nicht hygienisches Vorgehen

Warum sollten Anwender:innen der intermittierenden Katheterisierung auf Hygienepraktiken achten?

Die grundlegende Bedeutung des Händewaschens zur Vorbeugung gegen Harnwegsinfektionen (HWI) wurde von Semmelweis und Koch im 19. Jahrhundert gut belegt.1

EAUN-Leitlinien empfehlen nachdrücklich berührungsfreie Techniken und einige Leitlinien betonen ausserdem, dass Patient:innen, die sich selbst katheterisieren, sich die Hände desinfizieren oder gründlich mit Wasser und Seife waschen sollten, bevor sie die Katheterisierung durchführen.4,9-11

Weiters wird die Reinigung des Genital- und Peritonealbereichs in Zusammenhang gesehen mit einer geringeren HWI-Rate, wie sie auch bei der Selbstkatheterisierung im Vergleich zur Katheterisierung durch andere gegeben ist.2

Wussten Sie?

Von Anwender:innen berichtete Hygienegewohnheiten

Patient:innen, die sich selbst katheterisieren, sollten sich vor der Katheterisierung die Hände desinfizieren oder gründlich mit Wasser und Seife waschen.4

Selbstkatheterisierung im Vergleich zu assistierter intermittierender Katheterisierung

Es wurden viele klinische Studien durchgeführt zum Vergleich der Selbstkatheterisierung mit der Katheterisierung durch andere Personen. In den meisten Studien wurde festgestellt, dass das Risiko für Harnwegsinfektionen in der Gruppe von Patient:innen mit Selbstkatheterisierung signifikant reduziert war.2,13,14

Tipps für Ihre Patient:innen zur Hygiene vor und während der Katheterisierung:

  • Desinfizieren der Hände oder gründliches Waschen mit Wasser und Seife vor der Katheterisierung.4,9-11
  • Reinigen des Genital- und Peritonealbereichs vor der Katheterisierung.2
  • Nach Möglichkeit Anwenden der berührungsfreien Technik bei der Katheterisierung.15

Ungenügende Schulung

Was empfehlen die Leitlinien?

Leitlinien empfehlen, dass umfassende Schulungen zur Technik des sauberen intermittierenden Katheterismus (CIC) bei Patient:innen mit neurourologischen Erkrankungen durchgeführt werden sollten.4,16,17 Wann immer sich eine Patientin oder ein Patient mit einer HWI vorstellt, muss die Katheterisierungstechnik und -häufigkeit überprüft werden.4

Wie wirken sich Schulungen zur intermittierenden Katheterisierung aus?

Im Rahmen einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT) wurde die Häufigkeit von HWI nach Schulungsmassnahmen evaluiert. Ergebnisse:

  • weniger Bakteriurie
  • weniger Meldungen von Symptomen
  • weniger Antibiotika-Behandlungsepisoden
  • geringere HWI-Häufigkeit18

Eine andere multizentrische Studie zeigte, dass ein gutes Aufklärungsprogramm (AP) die Adherence verbessern kann, was die Katheterisierung im ersten Jahr zu Hause betrifft:

  • 99% (AP) vs. 83% 19

Restharn nach der Entleerung aufgrund falscher Handhabung

Warum sollte man sich Gedanken über Restharn machen?

Es ist wichtig, Restharnmengen in der Blase zu vermeiden, da diese ein Risiko für Harnwegsinfektionen (HWI) darstellen.1

Falsche Handhabung des Einmalkatheters und Risiko für HWI

Das Herausziehen des Einmalkatheters (EK) vor der vollständigen Blasenentleerung wird in der klinischen Praxis häufig festgestellt. Die falsche Handhabung des Katheters kann zu einer unvollständigen Blasenentleerung führen, wodurch Restharn in der Blase verbleibt.1

Was empfehlen die Leitlinien?

Leitlinien empfehlen, dass umfassende Schulungen zur Katheterisierungstechnik für Patient:innen mit neurologischen Erkrankungen durchgeführt werden sollten.4,16,17